Wer sich mit Unternehmensstrategie beschäftigt, stellt schnell fest, dass er eine Menge zu tun hat. Ein Unternehmen soll eine Marketing-Strategie haben. Dann braucht es noch eine Vertriebsstrategie, eine Produktionsstrategie, eine Personalstrategie und eine Strategie für die IT. Natürlich darf der Einkauf nicht fehlen und dann gibt es noch eine Menge „Untertypen“. Hier finden wir Social-Media-Strategie, Investitionsstrategie und viele mehr. Dazu gesellen sich dann noch Vision und Mission und seit neustem auch noch Purpose. Und jedes Buch und jede Webseite zum Thema sagt, dass es extrem wichtig ist, dass ein Unternehmen so etwas hat.
Ganz ehrlich, das ist unmenschlich. Und ganz nebenbei gesagt auch fachlich nicht korrekt. Die Idee, eine Strategie zu haben, kommt vom Militär. Hier wurde es zuerst erkannt. Nicht derjenige gewinnt den Krieg, der seine Ressourcen auf alle Gebiete und Aufgaben verteilt. Es gewinnt derjenige, der eine klare Stärke zu seinem Vorteil nutzt. Die Ressourcen und Aufgaben werden dabei um die Stärke herum organisiert. Eine erfolgreiche Strategie nimmt Schwächen in Kauf.
- Was ist eine gute Unternehmensstrategie?
- Wie entwickelst Du jetzt eine Unternehmensstrategie für Dein kleines Unternehmen?
- Richtlinien
- Tätigkeiten
- Zusammenfassung
Was ist eine gute Unternehmensstrategie?
Fangen wir damit an, zu schauen, was eine Strategie eigentlich sein soll. Im Kern legt sie dar, wie ein Ziel erreicht werden soll. Die Betonung liegt auf „wie“! Eine Prognose von Umsatz und Kosten kann also keine Strategie sein. Denn sie zeigt ja nur, was (!) erreicht werden soll. Auch eine Vision oder Mission kann keine Strategie sein. Denn auch hier erfahren wir nur, was (!) erreicht werden soll. Das gilt übrigens für alle Ziele.
Eine echte Unternehmensstrategie zeigt einen Weg auf, wie (!!!) in bestimmten Situationen gehandelt werden soll. Dazu sind drei Dinge wichtig.
- Du musst die Situation analysieren.
- Aus den gewonnenen Informationen heraus, beschreibst Du Richtlinien für Dein Handeln.
- Anhand der Richtlinien leitest Du konkrete Tätigkeiten ab.
Um Dir zu zeigen, was ich meine, möchte ich hier kurz eine „klassische“ Unternehmensstrategie und die Alternative anhand eines Beispiels nebeneinander legen.
Beispiel für eine Unternehmensstrategie für einen Frisör-Salon
Variante I
Unsere Vision ist es, der Marktführer in unserer Stadt zu werden und jedem Kunden den qualitativ besten Service zu geben. Unser Ziel ist, in den nächsten 4 Jahren den Umsatz 20% pro Jahr zu steigern, unsere Mitarbeiter zu binden und die Kosten um 10% zu senken.
Variante II
Unser lokaler Markt ist geprägt von vielen kleinen Salons. Die meisten konzentrieren sich auf keine oder eine der folgenden 3 Zielgruppen: junge Erwachsene; Erwachsene zwischen 30-50 oder Senioren. Die Schwierigkeiten mit denen alle kämpfen, sind die niedrigen Preise, die hohe Mitarbeiterfluktuation und die hohen Mieten.
Daher konzentrieren wir uns auf Kinder und Jugendliche. Wir werden Räume abseits vom Zentrum anmieten und erst ab dem frühen Nachmittag öffnen. So können wir Kosten sparen und unsere Mitarbeiter besser bezahlen. Das Marketing wird online auf Mütter ausgerichtet, da sie meistens die Entscheidungsträger sind.
Wir werden pro Monat eine Frisur einer berühmten Person bewerben (jeweils für Jungen und Mädchen). Zudem werden wir Tablets für das Entertainment unserer kleinen Kunden bereitstellen und eine Wohl-fühl-Zone für die wartenden Eltern. Außerdem wird eine Foto-Serie mit jedem Kind aufgebaut, so dass es Bilder von den coolsten Haarschnitten gibt und die Kids ihren Look finden können.
Entscheide selbst, was für Dich „strategischer“ klingt. Ich hoffe, Du siehst, dass die drei angesprochenen Elemente einer guten Unternehmensstrategie alle in der zweiten Variante enthalten waren. Und dabei habe ich nicht ein einziges Mal die Worte Umsatz oder Vision genutzt.
Wie entwickelst Du jetzt eine Unternehmensstrategie für Dein kleines Unternehmen?
Analyse
Wenn wir uns an die drei Punkte halten, dann steht am Anfang die Analyse. Hierbei musst Du auf ein paar Dinge achten, so dass Du die klassischen Stolpersteine umgehst. Ich versuche, Dir das ganze als Schritt-für-Schritt-Anleitung aufzubauen. Allerdings musst Du wahrscheinlich eh den einen oder anderen Schritt wiederholen, damit sich Dein Verständnis für Deinen Markt immer weiter schärft.
Am Besten Du stellst Dir diese Analyse wie eine Diagnose vor, um zu entscheiden, welche Unternehmensstrategie zu nehmen ist, um in diesem Marktumfeld gesund zu überleben.
Schritt 1:
Führe eine Analyse der Branchenstruktur durch. Dazu gibt es ein berühmtes Modell von Michael Porter – das 5-Kräfte-Modell. Hier solltest Du ein paar wesentliche Fragen beantworten.
- Was ist mein Markt? (Geografisch, angebotene Leistung, allgemeine Zielgruppe, Preisniveau)
- Wie viele Wettbewerber habe ich und wie sieht die Top 5 bzw. 10 aus?
- Vor welchen Herausforderungen stehen die meisten Marktteilnehmer?
- Wie haben sich die Top 5 aufgestellt, um diese Herausforderungen zu meistern? Welche Wettbewerbsvorteile nutzen sie?
- Wie finden die Top 5 ihre Kunden und welche Kundengruppen sprechen sie an?
- Wie beeinflussen Lieferanten den Geschäftserfolg? (Vor allem bei Dienstleistern und anderen kleinen Unternehmen solltest Du hier auch auf Vermieter, Angestellte, wichtige Kooperationspartner und ähnliches eingehen.)
- Welche Verhandlungsmacht/-wille haben die Kunden? (Gibt es viele alternative Anbieter? Sind sie nachweislich bereit vielleicht auch mehr zu bezahlen?)
- Welche Alternativen hat der Kunde außerhalb des Marktes? (= indirekte Konkurrenz)
- Wie leicht ist es für neue Wettbewerber in den Markt zu kommen und warum?
- Wie wird sich die Branche in den nächsten 10 Jahren wahrscheinlich entwickeln?
Die Fragen decken sich mit dem 5-Kräfte-Modell. Sie sind jedoch nur eine Basis-Version für den Anfang. Alles andere würde den Rahmen sprengen.
Schritt 2:
Überlege Dir, was Du zur Party mitbringen kannst und willst. Hier geht es um die Frage, welche dauerhaften (!) Wettbewerbsvorteile Du bereits hast oder aufbauen kannst. Generell gibt es folgende Kategorien, in die man Vorteile einsortiert.
- die Reputation eines Unternehmens (Gerade bei Neugründungen musst Du die natürlich erst aufbauen…)
- das Netzwerk zwischen Unternehmen, Kunden, Lieferanten und die darin enthaltene Organisation der Zusammenarbeit
- Innovation und zwar nicht nur bei neuen Produkten, sondern auch in besseren Abläufen oder neuen Zugangswegen zum Kunden (Achtung: Innovation ist nur ein dauerhafter Wettbewerbsvorteil, wenn sie nicht leicht zu kopieren ist.)
- Monopolsituationen, z.B. als lokal dichtester Anbieter oder als einziger Anbieter mit einer bestimmten Fähigkeit
- bereits aufgebautes Wissen, Fähigkeiten oder Produktionskapazitäten
- Exklusivität, z.B. durch Vertriebslizenzen oder Patente
Solltest Du entscheiden, gewisse Vorteile erst aufzubauen, bedenke, dass Du Dich auf möglichst wenige Dinge konzentrieren solltest. Dein Ziel muss es sein, ein bis zwei, maximal drei, Stärken zu haben und diese besser einzusetzen als Dein freundlicher Mitbewerber von nebenan.
Schritt 3:
Schreibe auf, was Du herausgefunden hast. Das hat zwei Gründe. Zum Einen zwingt Dich das Aufschreiben dazu, alles logisch zu durchdenken und dem manche Gedanken abzuschließen. Zum Anderen hast Du durch das Aufschreiben eine Form geschaffen, die Du transportieren, teilen, verändern und besprechen kannst. Es erlaubt Dir auch den Kopf frei zu haben für andere Sachen. Du kannst auch später zurück kommen und Deine Analyse aktualisieren und überdenken.
Richtlinien
Der nächste große Schritt auf dem Weg zur Unternehmensstrategie ist die Festlegung einer allgemeinen Handlungsrichtung. Hierbei geht es um die Frage, welche Dinge Du tun und nicht tun solltest, um in Deinem Markt mit Deinen Wettbewerbsvorteilen und trotz Deiner Konkurrenz zu bestehen.
Klassische Möglichkeiten für diesen Schritt sind:
– etwas nicht zu tun, was alle anderen Wettbewerber tun
– etwas zu tun, was der Rest nicht macht
– eine Fokussierung auf eine spezielle Zielgruppe innerhalb des Marktes, die kein oder kaum ein anderen bedient
– Service-Standards oder Leistungsversprechen formulieren, die sich vom Markt abheben
Das Wichtigste bei der Formulierung von Richtlinien ist, dass Du sie für eine konkrete bereits festgelegte Zielgruppe beschreibst. Der Grund dafür ist ziemlich einfach, auch wenn er häufig verdrängt wird. Es gibt keine Leistung, die für alle die beste ist!
Wenn Du Dich also vom Wettbewerb abheben willst, dann kannst Du das nur für eine bestimmte Gruppe von Menschen (= Deine Zielgruppe). Es wird immer diejenigen geben, die Deinen Wettbewerb als besser ansehen und bei ihm bleiben.
Natürlich solltest Du auch die Richtlinien schriftlich festhalten. Am Besten gießt Du sie in die Form eines einzelnen Satzes. Du solltest am Ende ungefähr drei bis fünf dieser strategischen Richtlinien haben.
Richtung
Deine strategischen Richtlinien sollten eine allgemeine Richtung aufzeigen und einschränken, wo es auf keinen Fall lang geht. Es sind noch keine konkreten Tätigkeiten, sondern eher die Kategorien von Handlungen, die dann mit echtem Tun gefüllt werden. Während Du sie formulierst, behalte die folgenden Punkte im Blick:
- Du willst, dass Deine Strategie die Welt für Dich einfacher macht. Suche also nach Richtlinien, die Dein Leben nicht unnötig komplex machen.
- Deine Unternehmensstrategie beschreibt am Ende, wie Du ein paar wenige Stärken bestmöglich zum Einsatz bringst. Hier bei Deinen Richtlinien suchst Du also Handlungen, die einen größtmöglichen Effekt erzeugen.
- Die Richtlinien sollen als Set sinnvoll sein und aufeinander aufbauen und sich gegenseitig verstärken. (So wird es übrigens für den Wettbewerb schwieriger, Dich zu kopieren…) Zum Beispiel verträgt sich eine hochpreisige Leistung selten gut mit andauernden Rabatten im Kopf des Kunden.
Das Schwierigste wird für Dich wahrscheinlich, dass Du Dich entscheiden musst. Und das bedeutet, dass Du manche Optionen und Möglichkeiten links liegen lassen musst, obwohl sie interessant aussehen. Wenn sie nicht in den Fokus Deiner Unternehmensstrategie passen, dann darfst Du sie nicht mit aufnehmen.
Tätigkeiten
Die allermeisten Menschen haben nach den Richtlinien schon das Gefühl, dass das alles schon ein sehr vernünftige Unternehmensstrategie ist. Allerdings ist das noch zu kurz gegriffen. Die Stärke Deiner Strategie wird letztendlich dadurch bestimmt, wie sie im echten Leben umgesetzt wird. Dazu ist es entscheidend, dass Du eine Verbindung von relativ abstrakter Richtlinie zu einer konkreten Tätigkeit hast. Besser ist dann noch, wenn Du diese Überlegung auch in einen zeitlichen Rahmen packst.
Deine letzte Aufgabe ist also Tätigkeiten aus den Richtlinien abzuleiten und sie in einen zeitlichen Rahmen zu stellen. Auch hier wird es schmerzhaft, wenn Du feststellst, dass Du nicht alles und auch nicht alles sofort erledigen kannst. Du musst entscheiden, was zuerst getan werden muss und was warten kann.
Meine Empfehlung ist, kleine Projekte zu definieren und die nacheinander anzugehen. Das könnten sein:
- Aufbau eines Vertriebsprozesses innerhalb eines halben Jahres
- Testen von Marketing-Ideen bis zum Ende des Quartals
- Schaffung eines Prozesses für die Kundenbetreuung bis zum Jahresende
- Generierung von 3 Innovationsmöglichkeiten bis zum 31.05. nächsten Jahres
Du siehst hoffentlich, dass diese Dinge schon sehr viel konkreter sind. Zusätzlich haben sie in den Beispielen definierte Endzeitpunkte. Entsprechend ergibt sich dann eine Reihenfolge, die natürlich einer inneren Logik folgen sollte.
Was gibt es in dieser Phase zu bedenken? Nun, Du kannst nicht alle glücklich machen und alles schaffen, was sinnvoll ist! Du musst manche Dinge wahrscheinlich aufgeben. Das ist für viele (auch für mich) mitunter das schwierigste an einer Strategie. Das worauf man auf jeden Fall achten sollte ist, dass Dinge ineinander greifen. Aus vielen Situationen im wahren Leben ergibt sich eine logische Reihenfolge, der man folgen muss. („Erst anziehen und dann duschen gehen, ist bewiesenermaßen kein brauchbarer Weg.“) Leider sind die Anwendungsfälle auch zu verschieden, als dass man hier eine Empfehlung zu einer speziellen Vorgehensweise geben könnte.
Zusammenfassung
Eine gute Unternehmensstrategie besteht aus dem richtigen Fokus und den dazu passenden Handlungen auf die man sich spezialisiert. Der Fokus sollte nicht willkürlich gewählt werden, sondern aus einer Marktanalyse und den eigenen (zukünftigen) Stärken abgeleitet werden.
Zur Vereinfachung und zum Finden einer strategischen Richtung solltest Du Dir Richtlinie für Dein tägliches Tun setzen. Darauf aufbauend suchst Du Dir dann konkrete Dinge, die Du zu einem passenden Zeitpunkt erledigst.
Ich hoffe, ich konnte ein Bild vermitteln, das verdeutlicht, dass Strategie und vor allem Unternehmensstrategie mehr ist als nur ein paar Gedanken zu Vision und Vertriebszielen niederzuschreiben.
Wenn Du das Thema Unternehmensstrategie vertiefen willst, dann haben wir hier noch ein paar Empfehlungen für Dich.
Was macht eine gute Strategie aus?
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